Losung und Lehrtext für Sonntag, 5. April 2020: Lobet Gott in den Versammlungen (Psalm 68,27); Als die große Menge, die aufs Fest gekommen war, hörte, dass Jesus nach Jerusalem kommen werde, nahmen sie Palmzweige und gingen hinaus ihm entgegen und schrien: Hosianna! Gelobt sei, der da kommt im Namen des Herrn, der König von Israel! (Johannes 12,12-13). Eine Andacht von Pfarrer Martin Will.

Heute ist Palmsonntag, liebe Leserinnen und Leser. Mit diesem Tag beginnt die Karwoche. Seit jeher ist Palmarum eine wichtige Station des gottesdienstlichen Lebens auf dem Weg zu Gründonnerstag, Karfreitag und schließlich zum Osterfest.

Heute halte ich mir bewusst vor Augen, wie wichtig mir dieser letzte Sonntag der Passionszeit im Lauf der Jahre geworden ist: noch einmal tief durchatmen vor dem Dunklen, Schweren, dem es sich zu stellen gilt. Dabei den Leidensweg Jesu nachzuvollziehen und zugleich die Leidenden unserer Zeit im Licht Jesu Christi zu würdigen suchen.

Eigentlich hatte ich mir vorgenommen, das „C-Wort“ (Corona) in dieser Andacht nicht zu erwähnen. Die weltweiten wie auch die persönlichen Auswirkungen der Pandemie bedenken wir hier sowieso mit, das versteht sich ja von selbst. Ich befürchte bei alledem nur, die ohnehin Vergessenen werden noch mehr an den Rand gedrückt.

Wie wird es den unter Krieg leidenden, den Unterdrückten, den Geflüchteten, Hungernden und Ausgebeuteten in den kommenden Monaten ergehen, während die Halbwertszeit medialer Aufmerksamkeit auch unter „normalen“ Umständen schon verschwindend gering ist? Wie gut, dass unsere Regierung große Anstrengungen unternimmt und in kürzester Zeit Milliardensummen bereitgestellt hat, um die Zivilgesellschaft und die Wirtschaft zu stützen.  Sollte eine ähnliche Großzügigkeit jetzt nicht gerade auch für bedürftige Länder Europas und vor allem für die Ärmsten der Armen dieser Welt angewandt werden?!

Auf dem Weg zum Fest

Auch solche Überlegungen gehören für mich zu dem, was ich hier einmal als „Atempause“ bezeichnen möchte – steht der Palmsonntag doch im Zeichen des Einzugs Jesu in Jerusalem. Die „große Menge“ hat riesengroße Erwartungen an den, der auf einem schlichten Esel einzieht.

Haben die Menschen die Nase voll von den „Lautsprechern“ und Wichtigtuern, die doch nicht halten, was sie vollmundig versprechen? Endlich sind große Veränderungen zum Guten in Sicht. Die Menge ist auf dem Weg zum Fest. Sie suchen „Gott in den Versammlungen“ (Psalm 68), damit ist die gottesdienstlich versammelte Gemeinde gemeint.

Offensichtlich wünschen sich die Leute dieses Mal nicht nur, Gott wie immer zu loben für sein geschichtliches Eingreifen in der Heilgeschichte, sondern sie erwarten neue, umstürzende Taten Gottes. Erwarten wir noch Hilfe von dem, der im Namen des Herrn heute bei uns einziehen will? Dieses Jahr zumindest wird es kein „procedure as every year“, kein Ostergeschehen wie jedes Jahr, für uns geben.

Wir haben es nötig, uns erinnern zu lassen

Nicht von ungefähr ist die Einzugsgeschichte fester Bestandteil im Kinder-, Schul- und Familiengottesdienst. Szenen werden spielerisch umgesetzt, fröhlich-nachdenkliche Lieder wie „Jesus zieht in Jerusalem ein“ werden gesungen, und zur Not muss in Ermangelung von echten Palmzweigen auch die eine oder andere Zimmerpflanze herhalten.

Ich bin überzeugt davon, dass solche szenischen Umsetzungen nicht nur unseren Kindern selbst ein feines Gespür vermitteln können, so dass ihr Sinn für Gerechtigkeit geschärft wird. Vielmehr haben wir es als erwachsene Christen je und je ein Leben lang nötig, uns aufs Neue an den einzigartigen Weg Jesu und sein Heil erinnern zu lassen – um dann eben auch „Protestleute wider den Tod“ (Helmut Gollwitzer) und dessen Statthalter zu sein.

Was das Himmelreich kann

Das Himmelreich

durchbricht die dunkelsten Seiten

der Welten.

Es erleuchtet die schwärzesten Seelen.

Die Todeszonen

verwandeln sich in Friedenszeiten.

Die Erde blüht wieder auf.

(Zu Psalm 68, „Träume sind keine Schäume“, aus: Hanns Dieter Hüsch, Uwe Seidel: Ich stehe unter Gottes Schutz. Psalmen für Alletage)

Besinnliche Atempausen wünscht Ihnen und Euch

Martin Will, Pfarrer in Eckenhagen