Denn wer Gottes Willen tut, der ist mein Bruder und meine Schwester und meine Mutter (Markus 3,35), Lehrtext am 28. März 2020. Eine Andacht von Pfarrerin Gabriele Bach
Wie unterschiedlich wir diesen Vers wohl hören? Als Jugendliche fand ich die Geschichte von Jesu wahren Verwandten immer toll. Klare Sache, auf die eigene Verwandtschaft hatte ich sowieso keine Lust – viel spannender war die Jugendgruppe in unserer Gemeinde. Auf den Sonntagsbraten im Kreise der Familie konnte ich gut verzichten und Jesus schien mir darin voll Recht zu geben.
Jetzt bin ich Großmutter und vermisse meine Kinder, meine Enkelinnen, oft auch meine Schwester – vor allem sonntags. Und so teile ich meinen Braten – oder was auch immer – mit denen, die zum Glück noch in meinem Haushalt wohnen, aber es bleibt immer viel zu viel übrig…
Wie schön wäre es, Zeit mit der Familie zu verbringen
Wie schön wäre es, meine Familie jetzt sehen zu können, mit ihnen Zeit zu verbringen! Und so ist mir Jesu Wort zur Zeit eher fremd und ich muss neu fragen, was ihn dazu bewogen haben mag.
Ich denke, Jesus hat sich in diesem Moment vermutlich gegen den Zugriff einer Familie gewehrt, die ihn für verrückt hielt, die ihn vielleicht auch für sich privat beanspruchen wollte. Ihn von den anderen, für die er gerade da war, mit denen er im Gespräch war, wegholen wollte. Das aber ging zu weit. Dagegen musste er sich wehren, musste mit deutlichen Worten darauf bestehen, dass sie dazu kein Recht hatten.
Und so ist auch dieses Wort – wie so viele – nicht als zeitloses und immer gleichermaßen gültiges Prinzip zu hören und zu lesen. Es ist zu verstehen als ein Wort, das in eine ganz konkrete Situation hinein gesprochen werden musste, um der Klarheit willen.
Die Frage nach Gottes Willen kann man mit jedem besprechen, der dafür offen ist
Entscheidend ist doch die Frage, was denn heute Gottes Willen ist, und mit wem wir diesen Willen gemeinsam tun können. Im Krankenhaus erlebe ich zur Zeit eher eine gespannte Ruhe: Das Besuchsverbot gilt auch für die Seelsorge und wird nur in Ausnahmefällen gelockert. Ist es Gottes Wille, wie ich bisher dachte, dass wir Seelsorgerinnen und Seelsorger jetzt erst recht da sind für die Patienten, die ja keine Besuche mehr bekommen dürfen?
Oder ist es sein Wille, dass wir uns zurückhalten, um diese Patienten nicht zusätzlich in Gefahr zu bringen? Oder gibt es noch ganz andere Aspekte seines Willens, zum Beispiel, dass wir jetzt einfach aushalten sollen, nicht für andere da sein zu können? Jedenfalls nicht so, wie wir das bisher gewohnt sind?
Nach Gottes Willen jetzt fragen – das tue ich mit vielen Menschen. Mit dem Konvent der rheinischen Krankenhausseelsorger und -seelsorgerinnen. Mit meinem Mann. Mit meinen katholischen Kollegen und Kolleginnen im Krankenhaus Gummersbach. Mit Freunden. Mit meinen Kindern.
Und so verschiebt sich der Fokus im heutigen Lehrtext – weg von dem alten Konflikt zwischen verschiedenen Verwandten. Hin zu der Frage nach Gottes Willen, die wir mit jedem besprechen können, der dafür offen ist und ebenfalls danach sucht.
Viele Grüße!
Ihre Pfarrerin Gabriele Bach, Krankenhausseelsorgerin im Kreiskrankenhaus Gummersbach