Andacht: Lebenstüchtig und stark

Werft nur eurer Vertrauen nicht weg, das doch so reich belohnt werden soll (Hebräer 10,35). Eine Andacht von Pfarrerin Alexandra Pook

„Werft euer Vertrauen nicht weg!“ Das möchte uns der Lehrtext heute ans Herz legen.

Das griechische Wort, das Luther mit „Vertrauen“ übersetzt, bedeutet wörtlich: „Offenheit im Reden, Öffentlichkeit, Freimütigkeit, Unerschrockenheit“.

Werft Eure Offenheit, Euren Frei-Mut, Eure Unerschrockenheit nicht weg!

Vielleicht gab es in unserem Leben eine Zeit, in der wir viel Vertrauen hatten, unerschrocken waren und offen für das, was das Leben uns bringt? Vielleicht als Jugendliche oder junge Erwachsene. Wie hätten wir auch sonst ins Leben gehen sollen? Unser Elternhaus, die sichere Höhle verlassen, etwas wagen?

Inspiriert von unseren Träumen und Sehnsüchten

Wir haben uns etwas zugetraut, waren neugierig, haben uns begeistern lassen, waren inspiriert von unseren Träumen und Sehnsüchten. Und vielleicht fiel es uns so auch leicht, auf Gott zu vertrauen und darauf, dass wir einen guten Weg geführt werden.

Auch mir ging es so. Heute aber, mit Ende 40, fällt mir das viel schwerer: vertrauen. Ich bin nicht mehr unerschrocken, denn ich bin schon oft erschreckt und auch enttäuscht worden. Ich weiß mittlerweile, wie Scheitern sich anfühlt. Ich mache mir Sorgen, stelle mir vor, was alles sein könnte, gerade auch in diesen Tagen…

Wirf dein Vertrauen nicht weg!

Ja, es ist noch Vertrauen da, Gott sei Dank. Vor allem dann, wenn ich in die Stille gehe, das Angesicht Gottes suche, wieder in Kontakt komme mit meiner Sehnsucht. Dann kann ich sagen: „Ich vertraue Dir. Du zeigst mir den Weg zum Leben.“ Aber im Alltag ist mein Vertrauen faktisch oft bereits im Papierkorb gelandet.

Natürlich: Wir können nicht zurück in unsere jugendliche Unerschrockenheit und Unwissenheit. Aber hat deswegen das, was uns einmal lebenstüchtig und stark gemacht hat, denn jetzt ausgedient?

In der Kunst spricht man von einer zweiten Naivität, die es braucht, um als erwachsener Mensch ein Künstler bleiben zu können. Pablo Picasso besuchte mit 64 Jahren eine Ausstellung von Kinderzeichnungen und sagte: „Als ich so alt war wie diese Kinder, da konnte ich zeichnen wie Raffael. Es hat viele Jahre gedauert, bis ich zeichnen konnte wie diese Kinder.“

Warum lassen wir unsere Enttäuschungen nicht los?

Warum werfen wir unser Vertrauen weg? Warum hegen und pflegen wir lieber unsere Enttäuschungen und lassen sie nicht los? Kann es sein, dass sie es sind, die unseren Glauben daran hindern, zu wachsen und zu reifen und sich in das Geheimnis Gottes hinein zu entfalten?

Können wir uns darauf einlassen, durch Schmerz und manche Ernüchterung hindurch zu einem neuen Vertrauen zu finden? Das wäre eine österliche Erfahrung.

Der auferstandene Christus ist der, der durch unsere verschlossenen Türen geht – an seinem Körper die Wunden, die sein leidenschaftliches Leben ihm geschlagen hat – und zu uns sagt: „Der Friede sei mit Euch! Fürchtet euch nicht.“

Behüte mich Gott.

Ich vertraue Dir.

Du zeigst mir den Weg zum Leben.

Bei Dir ist Freude,

Freude in Fülle.

aus Psalm 16 – und ein Gesang aus Taizé

Ihre

Alexandra Pook, Kirchengemeinde Hülsenbusch