Andacht: Himmlische Freude
Der HERR wird sich wieder über dich freuen, dir zugute, wie er sich über deine Väter gefreut hat (5.Mose 30,9b). Eine Andacht von Pfarrer Manfred Hein-Dürr
Ja, wir sind herausgefordert. An der Berufsschule, an der ich als Pfarrer unterrichte, werden jetzt für die kommenden Wochen besondere Lehr- und Stundenpläne entworfen. Es steht die Frage im Raum: Gehört Religion als Fach zu den Kernfächern? In den Gemeinden sind die Kirchengebäude geschlossen, Gottesdienste finden als Online-Angebot statt. Die Gemeinde-Pfarrer*innen gehen mit vielfältigen und sehr kreativen Angeboten ihren Gemeindegliedern nach. Auch diese Internet-Andacht ist ein neuer Versuch, Glaube und Spiritualität zu den Menschen zu bringen.
Wie immer orientiere auch ich mich an der Tageslosung Der HERR wird sich wieder über dich freuen, dir zugute, wie er sich über deine Väter gefreut hat (5.Mose 30,9b). Über die Autoren dieses Verses wissen wir erstaunlich viel. Es waren katastrophale Zeiten damals. Der Tempel zerstört, Israel im Exil. Die „alte Normalität“ war nicht mehr. Von Gott und allen guten Geistern verlassen wagt eine Gruppe von Gottesredner*innen eine „neue Sicht“ auf die alte Gottes- und Glaubensgeschichte. Für ihre Zeit der existentiellen Krise formulieren sie Geschichte und Selbstverständnis Israels als eine Geschichte der Neuanfänge.
Trotz alledem, was der Mensch so veranstaltet
Dabei ist immer das „Volk“, das gemeinsame Kollektiv, die Gruppe das Gegenüber zu Gott. Diese Menschen hat Gott aus der Knechtschaft Ägyptens befreit. Gott hat sie über 40 Jahre durch die Wüste geführt mit Feuer und Wolke. Gott hat sie versorgt mit Nahrung und immer wieder das Verhältnis zu ihnen neu gestaltet. Wie Gott es mit Adam nach dem Verlust des Paradises versuchte, wie mit Noah nach der Flut oder wie so oft später dann mit dem Austreten der Propheten: Immer geht es um die liebevolle Haltung Gottes den Menschen gegenüber. Diese Haltung von Gnade und Liebe und – hier eben – Freude. Trotz alledem, was der Mensch so veranstaltet, gilt: Gott wird sich wieder freuen – über dich – dir zugute.
Freude ist eine Einstellung
Gott freut sich. An seiner Schöpfung und an seinem Ebenbild, das frei entscheiden kann und handeln kann – nur eben auch ganz anders, als es sich Gott vorgestellt hat. „Das Gute, das ich tun will, tue ich nicht. Aber das Böse, das ich nicht tun will, das tue ich“, resümiert Paulus im Römerbrief. Und doch: Gott freut sich am Menschen.
Dann ist aber Freude weniger ein Gefühl – Freude ist eine Haltung, eine Einstellung. Ich möchte sagen: Freude ist die Grundkonstante im Verhältnis Gott-Mensch. Von diesem Verständnis aus wird solche Freude, die Gott über die Menschen hat, zum Grund des Seins, zum Fundament für das Leben auf und in dieser Welt – eben genau für uns Menschen.
Verantwortlich für das Bewahren der Schöpfung
Solch „himmlische Freude“ ist spürbar und erfahrbar als Gefühl des Getragenseins. Oder als Empfinden, Teil zu sein von Gottes Schöpfung. Und dann eben auch im Gewahrwerden dafür, dass wir mitverantwortlich für ihr Bewahren sind.
Vielleicht kommt auch zu Bewusstsein, dass es diese soziale Größe (in der Bibel „Volk“ genannt) im Gegenüber zu Gott gibt – dass wir eben nicht allein sind auf unserer Weltenreise, sondern uns andere begleiten – für die wir dann aber eben auch mitverantwortlich sind. Ja, wir sind unseres Bruders (und unserer Schwester) Hüter*in!
Die großen Themen sind systemrelevant
Und deshalb ist es ja so wichtig, alles zu tun oder zu lassen, um Leben zu retten. Nicht nur in Coronazeiten. Im bewussten Kontakt mit göttlicher Freude gründen und wachsen die großen Themen von Frieden, Gerechtigkeit und der Bewahrung der Schöpfung. Und diese sind doch ganz bestimmt systemrelevant.
Ich wünsche uns den Mut, die Freude, die Gott zu uns hat – „uns zugute“ – zu leben und zu feiern. Vor, in und nach all den Katastrophen im Weltgeschehen.
Friedrich Schiller in seinem berühmten Gedicht (1808)
Freude, schöner Götterfunken,
Tochter aus Elisium,
Wir betreten feuertrunken,
Himmlische, dein Heiligthum.
Deine Zauber binden wieder,
Was die Mode streng getheilt,
Alle Menschen werden Brüder,
Wo dein sanfter Flügel weilt.
Herzlich Ihr Manfred Hein-Dürr, Pfarrer am Berufskolleg Dieringhausen